Unterwasser-Roboterschwärme mit kollektivem Bewusstsein, Gesellschaften bestehend aus Pflanzen und Robotern, die gemeinsam neue Lebensräume bauen, oder ein smarter Bienenstock, der die Insekten bei der Arbeit unterstützt und sie vor Gefahren warnt: was futuristisch klingen mag, ist im Artifical Life (AL) Lab der Universität Graz spannende Alltagsrealität. Vor genau zehn Jahren ist das Labor in seine heutigen Räumlichkeiten in der Merangasse 12 eingezogen – und konnte dort so richtig mit der andauernden Erfolgsgeschichte loslegen.
Ein millionenschweres EU-Projekt nach dem anderen wurde seit der Gründung des Labs vor fast 14 Jahren eingeworben und erfolgreich durchgeführt. Begonnen hat alles in einer kleinen Wohnung in der Heinrichstraße, in der ein provisorisches Bienenlabor aufgebaut worden war, schildert Thomas Schmickl, Leiter des AL Lab: „Eine Bienenarena im ehemaligen Badezimmer, eine Beobachtungsstation im Flur, eine Roboterbahn im ehemaligen Schlafzimmer – alles war klein und eng. Mit dem Startschuss für das CoCoRo-Projekt sind wir in das professionelle Umfeld, das wir heute nutzen, umgezogen.“
„CoCoRo“ (kurz für: Collective Cognive Robotics) untersuchte, wie man die Schwarmintelligenz, über die auch soziale Insekten wie Bienen oder Ameisen verfügen, auf Roboter übertragen kann. Mit diesem Projekt wurde der Forschungsbereich Umweltmonitoring durch Artificial Life-Systeme an der Universität Graz ins Leben gerufen, für den Schmickl hauptverantwortlich zeichnet. Er ist auch Sprecher des Anfang 2019 eingerichteten Profilbildenden Bereichs COLIBIRI (Complexity of Life in Basic Research and Innovation), der unter anderem auch auf diesen Forschungsarbeiten aufbaut.
„Mit den Jahren konnten wir ein interdisziplinäres Team junger WissenschafterInnen aufbauen, das im intensiven Austausch mit Partnerinstitutionen aus ganz Europa und weltweit steht“, schildert Thomas Schmickl. Nach CoCoRo kam subCULTron – ein Projekt, in dem ein „Team“ aus 120 autonomen Robotern in und um Venedig Daten zu Wasserqualität, Bodenbeschaffenheit und Umwelteinflüssen in der Lagune sammelte. „Auch in Zukunft wird der Bereich proaktives Umweltmonitoring ein Schwerpunkt des Labors sein“, erklärt Schmickl.
Mit dem EU-Großprojekt „ASSSISbf“ hat das AL Lab schließlich sein Alleinstellungsmerkmal geschaffen: Roboter interagieren darin mit Tiergesellschaften, um über Algorithmen deren Kommunikationswege zu erlernen. „Dieses Miteinander eröffnet neue Möglichkeiten in der Landwirtschaft, der Management von Viehbeständen oder im Umweltschutz“, präzisiert der Forscher. Ein wichtiges Stichwort dabei ist Ecosystem Hacking, erklärt Schmickl dessen Bedeutung: „Das bedeutet, dass autonome Robotersysteme sich aktiv mit Lebewesen austauschen und so ganze Ökosysteme von innen heraus stabilisieren.“ In „ASSISIbf“ wurden Roboter mit Jungbienen und mit Fischen verbunden, in „Flora Robotica“ interagierten Pflanzen in ihrem Wachstum mit Robotern und im aktuellen EU-Projekt „HIVEOPOLIS“ wird ein ganzer Bienenstock in einen bio-hybriden Roboter verwandelt, der das umgebende Ökosystem stabilisieren soll.
Das Artificial Life Lab Graz will auch in Zukunft maßgeblich an der Entwicklung und Etablierung neuer Forschungsfelder beteiligt sein. Geprägt hat die international bekannte Institution die Gebiete Artificial Life, biologische Komplexitätsforschung, Schwarmintelligenz-Forschung und bio-inspirierte Robotik in seinen ersten zehn Jahren ohne Zweifel.
>> AL Lab-Leiter Thomas Schmickl im Gespräch
https://www.youtube.com/watch?v=EzDbRQSkz0g