Wie bereiten Sie Ihre Studierenden, oft angehende Lehrer:innen, auf den Unterricht von morgen vor?
Kathrin Otrel-Cass: In der Lehramtsausbildung ist es sehr wichtig, dass man sich auch mit digitalen Themen auseinandersetzt. Sie sind einfach Teil unserer modernen Welt. Wir müssen aber auch bedenken, dass Digitalisierung für manche Lehrpersonen eine echte Herausforderung darstellen kann. Das dürfen wir nicht wegwischen. Kritische Auseinandersetzungen mit Digitalität sind vor allem wichtig, damit zum einen neue Entwicklungen nicht davonlaufen. Oder wir erst im Nachhinein feststellen, dass die Technologie etwas mit uns gemacht hat, was uns vorher nicht bewusst war oder uns sogar Schaden zufügt.
Sie sprechen von Fake News? Was bedeutet das Phänomen für die universitäre Lehre?
Otrel-Cass: Es geht prinzipiell um die Art und Weise, wie wir mit Information umgehen, sie verwenden, generieren oder an andere weitergeben. Wichtig ist zum Beispiel, sich damit auseinanderzusetzen, wo Studierende oder auch Forschende Informationen herbekommen und wie damit gearbeitet wird. Dazu kommt, dass die Digitalisierung Abläufe, wie die Recherche oder die Verarbeitung von Daten, enorm beschleunigt. Es besteht durchaus die Gefahr, dass wir uns manchmal zu sehr auf digitalisierte Prozesse verlassen, zum Beispiel auf Suchergebnisse. Denn um diese Ergebnisse wirklich beurteilen zu können, muss man verstehen, wie Suchergebnisse erstellt werden. Das bedeutet konkret, dass ich mich mit meinen Studierenden etwa darüber unterhalte, wie recherchiert wird. Wie und wo finde ich relevante Informationen? Wie soll ich mit einer riesigen Fülle umgehen? Wie kann ich sicherstellen, dass ich „alles“ berücksichtigt habe? Das ist vor allem für Doktorand:innen eine zentrale Frage.
Haben Sie einen Ratschlag, wie man mit Ergebnissen von Suchmaschinen umgehen soll?
Otrel-Cass: Es ist wichtig, sich nicht nur auf Suchergebnisse oder auf Datenauswertungen allein zu verlassen, sondern aktiv den Austausch mit anderen Personen zu suchen. Der Dialog, das Zuhören, ich denke dabei an Vorträge aus verwandten Gebieten, hilft beim Reflektieren über die eigenen Arbeiten. Im Austausch mit anderen Personen lernt man Neues, Altes oder erfährt wie andere Forschende mit Daten, Ideen, und Theorien arbeiten. Dazu braucht es menschliche Kontakte, das zwischenmenschliche Format, indem man ebenso lernt, Fragen zu stellen und zu differenzieren.
Was heißt das jetzt für die Entwicklung neuer Lehr- und Lernformate?
Otrel-Cass: Ich glaube, gute Lehre erfordert viel Kreativität und Dialog. Klassische Formate wie Vorlesungen sind zwar nicht zwingend veraltet, aber es ist wichtig den Austausch mit den Studierenden interaktiv zu gestalten. Zum Beispiel könnten theoretische Wissensbausteine zu verschiedenen Themen in Form von Kurzvideos asynchron angeboten werden, um dann praxisbezogene Aufgaben mit Hilfe dieser theoretischen „Nanobausteine“ gemeinsam zu besprechen oder zu analysieren. Ich habe damit gute Erfahrungen gemacht. Ebenso erfolgreich ist es, manchmal von traditionellen Arbeitsaufträgen abzusehen und Möglichkeiten kreativer Bearbeitungen zu schaffen. Wenn man versucht seinen Studierenden Spielraum zu geben, kann das, was am Ende rauskommt, wirklich exzellent, überraschend und kreativ sein.
Das ist für Sie als Lehrende vermutlich sehr inspirierend?
Otrel-Cass: Ja, sehr. Es kommt durchaus vor, dass die Arbeiten der Studierenden so hervorragend sind, dass ich um Erlaubnis bitte, die eine oder andere Idee mit anderen Studierenden zu teilen. Ich nehme großartige Ideen gerne in meine eigene Praxis auf. So habe ich zum Beispiel basierend auf Vorschlägen von Studierenden, aber auch Uni-IT-Expert:innen, meine Prüfungsformate adaptiert, indem ich zum Beispiel bei Vorlesungen nicht nur schriftliche, sondern auch mündliche Termine anbiete, eben um unterschiedlichen Lerntypen entgegenzukommen.
Macht das die Lehre nicht aufwendiger?
Otrel-Cass: Gute Lehre ist aufwendig, aber auch bereichernd. Natürlich gelingt das nicht immer. Auch ich erlebe Flops. Aber dann überlege ich mir oft gemeinsam mit meinen Kolleg:innen, wo es Möglichkeiten zum Nachjustieren gibt. Dann freut es mich, wenn Lehrveranstaltungen gut laufen und wenn Studierende inspiriert sind und mit leuchtenden Augen rausgehen.